Ausländische Trusts und Stiftungen: fiktive Einkunftezurechnung nach § 15 AStG
Ein Trust ist besonders in Staaten des angelsächsischen Rechtsraumes gebräuchlich (z.B. UK, Kanada, Neuseeland, Australien, USA, aber auch Singapur). Dort ist er ein anerkanntes Instrument der Vermögenssicherung (asset-protection) und der Nachfolgeplanung. Die ausländische Privatstiftung ähnelt der deutschen Familienstiftung und verfolgt vergleichbare Ziele. Daher sind viele Regelungen des deutschen Steuerrechts sowohl für Trust als auch für ausländische Privatstiftungen anwendbar.
Personen mit Wohnsitz in Deutschland können Begünstigte (Beneficiary) eines ausländischen Trusts oder einer nicht in einem EU /EWR-Land ansässigen Familienstiftung sein. Dies kommt nicht nur bei Gründung eines ausländischen Trust oder einer Familienstiftung durch Deutsche vor. Häufiger noch sind die Fälle des Zuzugs eines Ausländers nach Deutschland, denn der Trust ist besonders in Staaten des angelsächsischen Rechtsraumes gebräuchlich (z.B. UK, Kanada, Neuseeland, Australien, USA, aber auch asiatischen Staaten, wie z.B. Singapur).
Pflichten eines Begünstigten im deutschen Einkommensteuerrecht
Für die Begünstigten eines solchen Trust ergeben sich in Deutschland besondere steuerliche Pflichten. So muss der inländische Begünstigte eines solchen Trust die im Ausland erzielten Einkünfte des Trusts unter gewissen Voraussetzungen in seiner persönlichen deutschen Einkommensteuererklärung angeben. Es kann dazu kommen, dass der inländische Begünstigte die im Ausland erzielten Einkünfte des Trusts auch dann in Deutschland zu versteuern hat, wenn sie gar nicht an ihn ausgeschüttet worden sind.
Viele Errichter und Begünstigte von ausländischen Trusts und Stiftungen stehen daher vor komplexen steuerlichen Herausforderungen, die Ihnen nicht bewusst sind.
Zurechnungsbesteuerung nach § 15 AStG
Besonders relevant ist hier die sogenannte Zurechnungsbesteuerung nach § 15 Außensteuergesetzes (AStG). Dabei werden Einkünfte, die eine ausländische Stiftung oder ein Trust erwirtschaftet – selbst wenn diese Einkünfte nicht an die Begünstigten ausgeschüttet wurden, den in Deutschland ansässigen Errichtern oder Begünstigten anteilig zugerechnet und damit in Deutschland steuerpflichtig (sog. dry income“).
Eine wesentliche Ausnahme von dieser Steuerpflicht sieht das Gesetz vor, wenn den Begünstigten das Vermögen rechtlich und tatsächlich entzogen ist und der Sitz der Stiftung oder des Trusts in einem EU- oder EWR-Staat liegt und ein ausreichender Informationsaustausch mit Deutschland gesichert ist (§ 15 Abs. 6 AStG). Diese Voraussetzung hat bisher viele Errichter und Begünstigte außerhalb der EU/EWR benachteiligt.
Entzug der Verfügungsmacht
Voraussetzung der Anwendung der Escape-Regelung nach des § 15 Abs. 6 AStG ist es, dass der Errichter und die Begünstigten eines ausländischen Trusts oder einer ausländischen Familienstiftung können sich nur dann auf die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 6 AStG berufen, wenn das Vermögen der Verfügungsmacht der dahinterstehenden Personen rechtlich und tatsächlich entzogen ist. Die Betroffenen dürfen also keinen unmittelbaren Zugriff auf das Vermögen haben; sie dürfen aber auch nicht mittelbar über Anweisungsrechte, Nebenabreden oder ähnliches auf die Verwaltung des Vermögens einwirken können. Auch unzulässig wäre es, wenn sie eine Herausgabe des Stiftungs- bzw. Trustvermögens durchsetzen könnten.
Urteil des BFH vom 3. Dezember 2024
Mit Urteil vom 3. Dezember 2024 (Az. IX R 32/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) festgestellt, dass die Restriktionen für Trusts und Stiftungen mit Sitz außerhalb der EU/EWR (Drittstaaten) mit dem europäischen Grundrecht auf Kapitalverkehrsfreiheit nicht vereinbar sind. Die Ausnahme des § 15 Abs. 6 AStG sei europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Regelung über den Wortlaut hinaus auch Stiftungen und Trusts in Drittstaaten erfasst. Der BFH hat dabei ausdrücklich aufgrund der insoweit eindeutigen Rechtslage bzw. der vorhandenen Rechtsprechung des EuGH von einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgesehen.
Demnach ist die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 6 AStG nun auch auf Trusts und Stiftungen in Drittstaaten anzuwenden, sofern die Eigentümer das Vermögen tatsächlich nicht kontrollieren können.
Die Finanzverwaltung erkennt das Urteil des BFH vom 3. Dezember 2024 leider noch nicht an; es ist nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Daher bleibt die Durchsetzung der rechtlichen Ansprüche im Einzelfall schwierig. Auch empfiehlt sich im Zweifelsfall eine Offenlegung im Rahmen der persönlichen Steuererklärung, um einem Vorwurf der Steuerhinterziehung zu vermeiden.
Was bedeutet das Urteil konkret?
Das BFH-Urteil sorgt für eine erhebliche steuerliche Entlastung der Beteiligten ausländischer Trusts und Stiftungen außerhalb des EU-/EWR-Raumes. Damit wird Deutschland für Personen, die aus dem angloamerikanischen oder asiatischem Raum nach Deutschland ziehen wollen oder bereits hier leben, steuerlich attraktiver.
Auf Basis der Praxis der Finanzverwaltung und der Nichtanerkennung des BFH-Urteils, empfiehlt sich aber weiterhin eine sorgfältige Prüfung und Beratung, ob eine Offenlegung im Rahmen der persönlichen Steuererklärung erfolgen sollte.
Unterschied zwischen Trusts in der EU und Drittstaaten
Trusts und Stiftungen mit Sitz in der EU oder im EWR fallen bereits unter die Ausnahmevorschrift des § 15 Abs. 6 AStG, sofern der Informationsaustausch gewährleistet ist und die Verfügungsmacht entzogen wurde. Bislang waren solche Ausnahmen für Trusts mit Sitz in Drittstaaten nicht vorgesehen – eine Regelung, die der BFH nun mit seinem Urteil aufhebt, da die Kapitalverkehrsfreiheit auch Drittstaaten umfasst.
Diese Klarstellung beseitigt die bisherige Benachteiligung internationaler Vermögensstrukturen und schafft mehr Rechtssicherheit, auch mit Blick auf die Europarechtskonformität der deutschen Zurechnungsbesteuerung.
Fazit:
Die Zurechnungsbesteuerung ist für den Begünstigten eines ausländischen trust oder einer ausländischen Familienstiftung “gefährlich” Sie führt u.U. dazu, dass er das Einkomen aus dem Trsut in Deutschland zu versteuern hat, ohne überhaupt Erträge zu haben (sog. Dry Income).
Das BFH-Urteil markiert eine spürbare Entlastung bei der Zurechnungsbesteuerung ausländischer Trusts und Stiftungen. Es erleichtert die Vermögensplanung und -übertragung für viele Steuerpflichtige, insbesondere für internationale Familien mit komplexen Vermögensstrukturen.
Dennoch bleibt die Beurteilung eines ausländischen Trust und der sich für einen Beneficiary ergebenden steuerlichen Pflichten komplex und bedarf der Prüfung durch einen erfahrenen Berater.