Gewerbesteuer aus Anteilsveräußerung bei doppelstöckigen Personengesellschaften
Durch zwei Urteile vom 8.5.2025 (IV R 40/22; IV R 9/23) veröffentlicht am 10.7.2025, hat der BFH festgestellt, dass der § 7 Satz 2 Nr. 2 unterfallende Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an der Ober-Personengesellschaft ist nicht auf die stillen Reserven der Ober-Personengesellschaft und die stillen Reserven der Unter-Personengesellschaft aufzuteilen ist. Es handele sich um einen einheitlichen Veräußerungsvorgang ausschließlich auf der Ebene der Ober-Personengesellschaft. Damit erfolgt jedenfalls für die Gewerbesteuer eine Abkehr von der bislang regelmäßig praktizierten transparenten Verteilung auf Ober- und Untergesellschaften in einem Personengesellschaftskonzern.
Das Urteil betrifft ausschließlich Personengesellschaftsstrukturen. Es ist auf Kapitalgesellschaften nicht anzuwenden.
Was regelt § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG?
Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs bei einem Einzelgewerbetreibenden oder einer Personengesellschaft sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht einzubeziehen, wenn damit die endgültige Einstellung der gewerblichen Betätigung verbunden ist. Nur soweit der Gewinn nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt, also Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft oder eine Stiftung ist, gehört er nach § 7 Satz 2 GewStG zum Gewerbeertrag. Dies betrifft Mitunternehmer bei einer OHG, KG oder einer gewerblichen GbR.
Wie der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils im Sinne des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG im Fall doppelstöckiger Personengesellschaften zu behandeln ist, war bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt. Teilweise wurde vertreten, dass es sich um einen einheitlichen Veräußerungsvorgang. Eine andere klassische Meinung vertrat, dass die Veräußerung auf alle beteiligten Personengesellschaften zu verteilen ist, also eine "Durchstockung" des Veräußerungsgewinns auch in die nachfolgenden Ebenen erfolgt.
Wann gehört der Veräußerungsgewinn zum Gewerbeertrag der Obergesellschaft?
Der BFH hat nunmehr entschieden, dass eine(anteilige Zuordnung des Einbringungsgewinns zum Gewerbeertrag der Untergesellschaften nicht in Betracht komme . Zur näheren Begründung führen die Richter u.a. aus:
Im Urteilssachverhalt handele es sich um einen Gewinn aus der Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Gewerbesteuerrechtlich gehöre der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG zum Gewerbeertrag, soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt.
Der erkennende 4. Senat ist der Ansicht, dass es sich um einen einheitlichen Veräußerungsvorgang und nicht um mehrere fiktiv aufzuteilende Veräußerungen handelt und keine "Durchstockung" des Veräußerungsgewinns erfolgt (keine transparente Betrachtungsweise.
Ein Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils im Sinne des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG entfalle in vollem Umfang auf den Mitunternehmer, der ihn erziele, also in dessen Person er entstehe. Das sind im Fall der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft ausschließlich deren unmittelbare Gesellschafter. Danach gehe der Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils in voller Höhe in den Gewerbeertrag der Personengesellschaft ein, an welcher der veräußernde Mitunternehmer unmittelbar als Gesellschafter beteiligt sei.
Der im Gewerbeertrag der Obergesellschaft zu erfassende Gewinn aus der Veräußerung unterliege auch soweit er auf die anteiligen Werte der Unter-Personengesellschaften entfalle nicht der Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG. Er sei originär auf der Ebene der Obergesellschaft entstanden.
Anwendung auf die Einkommensteuer?
Die beiden Urteile des BFH befassen sich ausschließlich mit der Zurechnung des Gewinns für die Gewerbesteuer. Auch bei der Einkommensteuer stellt sich die Frage, wie der Gewinn zu verteilen ist. Zwar wird der Gewinn transparent dem Gesellschafter zugerechnet und die Verteilung hat keine unmittelbaren Folgen für die Gesellschaften. Der Käufer des Anteils an einer Personengesellschaft hat aber die Möglichkeit für die anteilig gekauften stillen Reserven sog. Steuerliche Ergänzungsbilanzen zu bilden. Die in diesen Ergänzungsbilanzen aktivierten Mehrwerte kann er dann mit steuerlicher Wirkung in den Folgejahren abschreiben.
Wo werden Ergänzungsbilanzen gebildet?
Es spricht viel dafür, dass trotz dieser beiden Urteile die einkommensteuerliche Behandlung und damit auch die Bildung von Ergänzungsbilanzen weiterhin transparent erfolgt, also die stillen Reserven auf Ober und Unter-Personengesellschaften zu verteilen sind. Der BFH betont in den Urteilsgründen, „dass § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG gerade in Abweichung von dem ansonsten im Ertragsteuerrecht geltenden Transparenzprinzip die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft vorsieht“. Dabei verweist er auf das Urteil des BVerfG vom 10.04.2018 - 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217, Rz 108.
Die BFH-Rechtsprechung hat wiederholt betont, dass Ergänzungsbilanzen als Instrumente zur transparenten Zuordnung individueller Anschaffungskosten, Wertanpassungen oder persönlicher steuerlicher Belastungen zwingend und mitunternehmerbezogen zu führen sind. Maßgeblich ist dabei nicht die Gesellschaftsform, sondern die steuerrechtliche Mitunternehmerstellung der einzelnen Gesellschafter. Daher spricht viel dafür, dass ein einkommensteuerliches Durchsocken, also eine Verteilung der stillen Reserven in der Gruppe weiterhin zu erfolgen hat. Dies hat durch die Abschreibungen in den Ergänzungsbilanzen dann allerdings auch Auswirkungen auf den gewerbesteuerlichen Gewinn der Untergesellschaften.
Bedeutung für die Praxis & Handlungsempfehlungen
Die Frage, wo Ergänzungsbilanzen gebildet werden, hat eine enorme praktische Bedeutung. Eine Holding hat regelmäßig keinen gewerbesteuerlichen Gewinn. Durch die Zuordnung der Gewinne aller Beteiligungsgesellschaften auf deren operativer Ebene verbleiben neben den freigestellten Beteiligungserträgen häufig Kosten, die zu einem gewerbesteuerlichen Verlust führen. Weiter Abschreibungen in Ergänzungsbilanzen laufen daher im Ergebnis ins Leere.
Werden dagegen die Ergänzungsbilanzen anteilig auch auf Ebene der Tochter-Personengesellschaften gebildet, können die Abschreibungen dort mit operativen gewerbesteuerlichen Gewinnen verrechnet werden und führen zu einer echten Entlastung.
Seitens der Finanzverwaltung wird noch geprüft, ob und wie sich das Urteil auf einkommensteuerliche Besteuerungsgrundlagen auswirkt. Die Veröffentlichung im Bundessteuerblatt sowie die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Für konkrete Anwendungsfragen empfiehlt sich eine individuelle steuerliche Prüfung, idealerweise mit Unterstützung durch einen Steuerexperten.
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BFH, Urteil v. 8.5.2025, IV R 40/22; teilweise inhaltsgleich mit BFH, Urteil v. 8.5.2025, IV R 9/23; jeweils veröffentlicht am 10.7.2025